Seinen Weg zur Kunst fand der heranwachsende Ai Weiwei durch den in Ungnade gefallen Vater, der in China ein bekannter Dichter und Maler war. Fazit der kritischen Auseinandersetzung des Vaters war, dass die Familie nach Sibirien verbannt wurde, er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte und in einem rechteckigen Loch leben musste. Geprägt von bitteren Kindheitserinnerungen und sicherlich auch durch seine 81 Tage Haft in einem chinesischen Gefängnis bleibt der Künstler ungern an einem Ort. Gegenüber der Berliner Zeitung sagte er: “Zuhause bedeutet für mich Gefahr, Fremdheit, Ungewissheit.”
Weiwei zeigt neun seiner Werke in der Galerie “neugerriemschneider”. “know thyself”, so der Titel der Einzelausstellung beschäftigt sich mit den Werten der westlichen Welt und verarbeitet autobiografische Erinnerungen.
Legobilder in der Galerie ‘neugerriemschneider’ enthüllen kulturelle Reflexionen und digitale Allegorien
Ai Weiweis Kunstwerke entstanden aus Legobausteinen unter Verwendung der Readymade-Methode, welche durch Marcel Duchamp im 20. Jahrhundert eingeführt wurde. Hierbei werden Alltagsgegenstände zu Kunstwerken, indem diese in einen Kunstkontext gestellt werden.
Der Multimedia-Künstler zeigt einzigartige Legobilder, die sich differenziert mit den vorherrschenden kulturellen Ideen und Werten auseinandersetzt. Es ist ein versteckter Hinweis auf eine dem Konsum zugewandte digitale Welt des Westens, die in Massen produziert werden. Neu verarbeitet werden unter anderem alte Meisterwerke wie etwa Da Vincis das “Letzte Abendmahl” , die “Mona Lisa” und Monets “Seerosen” in mehreren Ausführungen und Farbspektren mit Legobausteinen nachgebaut.
Kunst im Fokus: Ai Weiweis Legowelt in der Ausstellung “know thyself'”
“Mit Kunst kann man jeder Zeit ihre Identität geben.” Erstmals verwendete der Künstler die Legobausteine in seiner Ausstellung “Alcatraz”. Aus 40 Farben, die in der Legowelt zur Verfügung stehen, entstanden 176 Lego-Porträts von politischen Gefangenen auf dem Boden einer Fabrikhalle in den Vereinigten Staaten. Die Werke sind aus Kinderspielzeug gefertigt worden und wirken leicht, ungezwungen und für jedermann zugänglich, trotz der schweren Problematik, die dahinter steckt. Die in der Ausstellung “know thyself” gezeigten Bilder haben stets etwas mit dem Westen, der vorherrschenden politischen Lage oder Ai Weiweis persönlichen Werdegang zu tun.
Bildbeschreibungen der Galerie
Bild 1 bis 5 und Bild 9: Ausstellungsräume der Galerie “neugerriemschneider”
Bild 6: “One: Number 31, 1950” Jackson Pollock schuf Bild Kompositionen im Kontext des Expressionismus. Ein Beispiel hierfür ist sein Werk ‘One: Number 31, 1950’ aus dem Jahr 1950. Ai Weiwei interpretiert dieses Original und setzt es in ein binäres Schwarz-Weiß-Bild um, das aus Legobausteinen geschaffen wurde.
Bild 7: “Seerosen” Claude Monets Schafte impressionistische Kunst zwischen dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die “Seerosen” ist Teil einer ganzen Reihe von Gemälden, die unterschiedliche Blickwinkel von Seerosen und Wasserspiegeln in Monets Garten darstellen. Die Interpretation von Ai Weiwei in Form des Lego-Bilds umfasst drei Wänden, wie umzingelt von der Vergangenheit. In der rechten Bildhälfte ist ein Loch zu sehen, dass eine autobiografische Anspielung auf seine Kindheit deutet, in der er mit seiner Familie im sibirischen Exil lebte.
Bild 8: “Nord Stream (2022)” “Ai Weiwei verweist auf ein “Nachrichtenbild, das eine weiß sprudelnde Fläche im blauen Meer zeigt. Diese Darstellung ist ähnlich den ausgestellten Ehrungen an die Künstler Pollock und Monet.”
Bild 10: „Erkenne Dich selbst“ Zu sehen ist eine in Legobausteinen gefertigte Darstellung des bekannten Mosaiks „Erkenne Dich selbst“, welches im ersten Jh. n. Chr. an der Via Appia in Rom entstanden ist. Ai knüpft an die Antike an, indem das Orakel zu Delphi eine Mahnung an den Menschen, nicht in Überheblichkeit zu verfallen schickt. Eine Grundmaxime der Antike. Symbolisch verweist das Original auf den flüchtigen Charakter des Lebens und die Vergänglichkeit materieller Dinge. Ai Weiwei weist auf Überschneidungen zwischen längst vergangenem und der Gegenwart hin.
Menschlichkeit im Fokus
In einem Interview gegenüber dem Bonner General Anzeiger * sagte er: “Meine Kindheitserfahrungen befähigen mich, Menschlichkeit, Menschenrechte, Meinungsfreiheit und die Möglichkeiten, sich miteinander auszutauschen, als die aller wichtigsten Werte zu erkennen.” Obwohl die Bilder verpixelt sind, wirken sie wie klare Linien, ohne einen Rahmen zu haben – leicht und unbefangen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. 03. 2024 ist sehr zu empfehlen, auch wenn Ai Weiweis politische Meinung derzeit nicht überall auf Zustimmung trifft. Die Bilder sind allemal schön und erfreuen auch ohne Politik.
Adresse: Galerie neugerriemschneider
Quellen:
- Bonner General-Anzeiger – Rhein-Ahr-Zeitung: “Wie viel Kindheit steckt in der Kunst?” vom 08.12.2023, Seite 10 / Feuilleton
- Berliner Zeitung : Ai Weiwei im Interview: „Einfach Waffen liefern, mit denen Russen getötet werden?“ vom 16.09.2023
- Pressetext der Galerie “neugerriemschneider” Ai Weiwei know thyself , Jonathan Friedrich Stockhorst
