“Das Verschwinden der Chinesen im neuen Jahr” von Urs Widmer erschienen im Diogenes Verlag, ist eine Sammlung von Erzählungen und Gedichten mit biografischen Anteilen, die verfremdet wurden. Seine Werke gleichen einem Perpetuum mobile aus Fantasien, die unaufhörlich in einem Strom der Zeit fließen. Seine Leser werden sanft mit einem Hauch Melancholie und schrägen Humor in seine Geschichten eingeladen.
Das Leben mit wahren Geschichten
“Das Verschwinden der Chinesen im neuen Jahr” beschreibt das echte Leben mit wahren kleinen Geschichten. Die Handlungen sind schlicht, so wird beispielsweise in dem Kapitel “Eine Herbstgeschichte” geliebt, gelitten und Verluste erlitten, lakonischer Humor ist in jedem zweiten Satz zu finden. Die Momentaufnahmen beschreiben Eidgenössisches empfinden, spröde Augenblicke, in denen die Sinne schreien möchten und sich doch zurückhalten. So schreibt er: “Ich, möchte erzählen, wie ich jenen Herbst verbracht habe, in dem Männer und Frauen erschossen wurden, Fahndungsfotos in Gaststätten hingen und das Fernsehen zeigte, wie man Todesschützen entwaffnete.” Und weiter heißt es, “Dann fuhr ich weg. In meine Identitätskarte hatte ich ein Foto einer Frau gelegt, wegen der ich es nicht mehr in meinem Zimmer in Frankfurt aushielt.”
Es handelt auch von deutschen Bildern, dem krausen Haar und wie der Autor des Nachts vor seiner Schreibmaschine, beleuchtet von seiner Schreibtischlampe, wie eine Zielscheibe zum Abschuss freigegeben ist. Die Erzählungen haben Unmengen von verkappten impulsiven Momenten, die getrieben werden von äußeren Ereignissen. Solche Augenblicke können überall und nirgends und jedermann widerfahren. Eine Tristes, die universell übertragbar ist und doch anders ist, da sie den Schaffensprozess des Erzählers widerspiegelt.
Über den eigenen Schaffensprozess schreibt er: ” Ja, um ganz genau zu sein, bevor ich loszog, stand ich viele Jahre am gleichen
Ort und schielte zum Ziel hin (dem flirrenden Horizont) und phantasierte heftig in mir herum, wie es da wohl sein würde. Dann ging ich plötzlich ganz jäh los und habe mich seither kaum mehr hingesetzt. Dafür kann ich mir heute das Ende des Wegs schon vorstellen, auch wenn ichs noch nicht sehe. Der Weg ist nicht unendlich lang! – Zu wenig Zeit, nicht zu wenig Stoff.”
Seine vollendeten Werke sind Fantasien und “das abgeschlossene Buch” nur ein “Bruchteil jener sinnlichen Erregung”, die er in sich trägt.
Auflockerung bringen gereimte Verse, die über das gesamte Buch verstreut zu finden sind und den Texten etwas kurzweiliges und spannendes einhauchen. Eine gute Beobachtungsgabe und der einfache Schreibstil, in denen Urs Widmer das Leben in seinen breigefächerten Facetten darstellt.
“Das Verschwinden der Chinesen im neuen Jahr” regt den Leser zum Nachdenken an, ohne einen schwermütigen Beigeschmack.
So beschreibt Urs Widmer beispielsweise den Bankdirektor, der das Geld wie der Vater das Heu im Stadel stapelt.
Zum Autor Urs Widmer
Urs Widmer ist am 21. Mai 1938 in Basel geboren und verstarb am 2. April 2014 in Zürich. Seinen Namen nennt man zu Recht in einem Atemzug mit Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt. Ein Schweizer Schriftsteller, Übersetzer, Theaterautor, Verfasser von Essays und vielen mehr. Seine Werke gehören zur Weltliteratur, vor allem war er aber ein “Patriot der Fantasie”.
Zitate
“Das Verschwinden der Chinesen im neuen Jahr”
Erschienene im Diogenes Verlag
eBook
192 Seiten (Printausgabe) 28. September 2022
978-3-257-61105-2
€ (D) 7.99 / sFr 10.00* / € (A) 7.99
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Taschenbuch
192 Seiten
erschienen am 17. November 1987
978-3-257-21546-5
€ (D) 10.00 / sFr 13.00* / € (A) 10.30
* unverb. Preisempfehlung
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